Recycling: Alles nur für die Tonne?

Recycling: Alles nur für die Tonne?

Recycling verspricht die Lösung für unseren Plastiküberkonsum. Doch es gibt ein paar Probleme. Warum es trotzdem richtig ist, Müll richtig zu trennen und was du sonst noch tun kannst, liest du hier.

Aus den Augen, aus dem Sinn passt leider viel zu gut zum Thema Müll. Denn der ganze Müll, den wir produzieren; jede Verpackung, die wir kaufen, muss irgendwann irgendwo hin. Und das ist eine Menge: Laut NABU entstehen jedes Jahr über 6 Millionen Tonnen Plastikmüll in Deutschland. Das sind 38 Kilo pro Kopf.  

Recycling verspricht das Problem zu lösen und so sortieren wir fleißig unseren Müll und werfen ihn in verschiedene Tonnen – mit dem Gefühl, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Doch geht die Rechnung auf?  

Erstmal von vorne: Was ist Recycling eigentlich? Recycling bezeichnet alle Methoden, die dazu führen, dass unser Müll aufbereitet und wieder nutzbar gemacht wird – im besten Fall immer und immer wieder. Stichwort: Kreislaufwirtschaft. Die Idee ist super, denn so sollen Rohstoffe effizienter genutzt und Abfall minimiert werden. Allerdings: Als recycelt gilt in Deutschland auch schon, was „zur Wiederverwertung gesammelt oder vorsortiert wird“ – nicht, was tatsächlich am Ende wiederverwertet und zum neuen Produkt wird. 

Die vier Formen des Recyclings:

  • Physische Wiederverwendung: Das funktioniert vor allem bei Mehrwegflaschen, die dank unseres Pfandsystems zurück in den Kreislauf kommen. Sie können in ihrer ursprünglichen Form bleiben, werden ausgewaschen und wieder neu befüllt.
  • Stoffliche Wiederverwertung: Das betrifft Stoffe, die man nicht in gleicher Form wiederverwerten kann. Sie werden zerkleinert, eingeschmolzen und zu neuen Produkten. So können beispielsweise aus alten PET-Flaschen neue oder auch Folien entstehen.
  • Chemisches Recycling: Hier wird Plastikmüll in seine Grundstoffe zerlegt, sodass man am Ende wieder Öl erhält, aus dem neues Plastik gemacht werden kann. Chemisches Recycling ist vor allem für verschmutzte Plastikabfälle geeignet, die aus verschiedenen Kunststoffarten bestehen. Diese Form des Recyclings ist allerdings energieintensiv und bisher nicht großflächig einsetzbar. 
  • Energetische Verwertung: Auch Verbrennen gilt als Recycling, da dabei Energie (in Form von Wärme) freigesetzt wird und für die Erzeugung von Strom genutzt wird. Rund ein Drittel des Plastikmülls wird verbrannt – und gilt damit als recycled. 

Recycling funktioniert grundsätzlich für Glas, Papier, Pappe und Teile unseres Plastikmülls. Auch Textilien können recycelt werden. Es gibt gute Gründe für Recycling.

Die Vorteile von Recycling

1) Mülldeponien sind giftig für Mensch und Umwelt: Bevor es Recycling gab, wurde Müll unsortiert auf Deponien gebracht oder in Verbrennungsanlagen verbrannt. In den 70ern hat man festgestellt, dass das gar nicht mal so gut ist (Überraschung!). Denn aus dem Müll können giftige Stoffe austreten und über den Regen ins Grundwasser gelangen. Auch bei der Verbrennung können giftige Substanzen in die Luft abgesondert werden. Je mehr wir also recyceln und wiederverwerten, desto weniger Müll landet langfristig auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen.

2) Recycling ist klimafreundlicher als neu zu produzieren: Auch wenn Recycling ein vergleichsweise teurer Prozess ist, so sparen wir insgesamt mehr Emissionen, wenn wir recyclen als neu zu produzieren. Recycling spart laut Bundesumweltamt bis zu 50 Prozent der Energie und damit Treibhausgase ein, die sonst bei der Herstellung von Neuware entstehen würden. 

3) Recycling spart wertvolle Ressourcen: Auch wenn wir Menschen und die Industrie nicht immer danach handeln, so sind die Ressourcen unserer Erde nun mal endlich. Auch Erdöl, aus dem Plastik entsteht, ist nicht unendlich verfügbar. Jeder Stoff, den wir wiederverwerten, vermeidet, neue Ressourcen zu verbrauchen. 

Ist Recycling nun also die Lösung oder gibt es Gründe, skeptisch zu sein?

Die Schattenseiten des Recyclings

Recycling-Weltmeister – mit diesem Wort schmückte sich Deutschland lange. Richtiger wäre: Weltmeister im Trennen. Denn nicht alles, was wir feinsäuberlich in verschiedene Tonnen bringen, wird bisher auch wirklich wiederverwertet und damit zurück in den Kreislauf gebracht. 

Bei der Wiederverwertung von Papier und Glas liegt die Recyclingquote bei über 80 Prozent am höchsten. Aber beim Thema Plastik sieht es anders aus: Die Recyclingquote für Verpackungen liegt laut einer Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung von 2019 bei nur 15,6 Prozent (weltweit sind es rund 9 Prozent). Das heißt: Aus nur 15,6 Prozent unseres Plastikmülls wird tatsächlich neues Plastik hergestellt. Warum nur so wenig?

Problem 1: Plastik ist nicht gleich Plastik.

Eine einzelne Verpackung kann aus verschiedenen Kunststoffen bestehen. Auch wenn diese Stoffe alle aus Erdöl bestehen, sind sie in Kombination nicht recyclebar. Zudem ist recyceltes Plastik fast immer minderwertiges Plastik, da der Prozess des Recyclings das Material schwach macht, sodass zum neuen Produkt immer wieder auch neues Plastik hinzugefügt werden muss. Das nennt man dann Downcycling statt Recycling. 

Problem 2: Recycling ist teurer als die Produktion.

Solange der Preis von Erdöl günstig ist, werden Unternehmen ihre Produkte weiter aus Plastik herstellen. Denn für sie hat es kaum einen wirtschaftlichen Anreiz, ihre Produkte so zu gestalten, dass sie einfach zu recyceln sind. Was in der Produktion billig ist, kommt uns später teuer zu stehen, denn seit 2021 müssen EU-Staaten 80 Cent pro Kilogramm nicht-recyceltem Kunststoffabfall an die Europäische Union zahlen. Das sind rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für Deutschland – und am Ende für uns Steuerzahlende. 

Problem 3: Der Abfall, der nicht recycelt wird, „verschwindet“.

Ein Teil wird „thermisch verwertet“, was eine Beschönigung ist für: verbrannt. Ein anderer Teil wird exportiert. Ja, wir sind unter den Export-Weltmeistern – für Müll. Eine Million Tonnen, das sind rund ein Sechstel unseres insgesamt erzeugten Plastikabfalls, verschicken wir. Nur die USA, Japan und Großbritannien exportieren mehr. Unser Wohlstandsmüll landet dann in der Türkei, Malaysia, Vietnam, wo er offiziell recycelt werden soll. Das Problem: Vor Ort sind die Menschen mit den Massen an Müll überfordert. Sie haben weder die Strukturen noch die finanziellen Mittel, alles zu recyclen. Und so bleiben sie auf unserem Müll sitzen, versuchen Wertvolles herauszusuchen oder die Berge durch Verbrennen kleiner zu machen, was die Luft vor Ort verschmutzt. Durch Stürme oder starke Regenfälle gelangt der Müll immer wieder auch in die Umwelt – vor allem in die Meere. Dort reibt sich das Plastik immer kleiner und wird zu Mikroplastik. (Lerne mehr zum Thema Meeresverschmutzung in unserer Lernreise.)

Das Problem ist mittlerweile so groß, dass es dafür einen Begriff gibt: Müll-Kolonialismus. Einige Länder haben ihren Müll sogar wieder zurückgeschickt. 2017 hat beispielsweise China einen Import­stopp für niederwertigen Plastikmüll verhängt, nachdem das Land jahrelang Müll aus westlichen Staaten importiert hat.

WAS NUN? 

19,7 Mio. Tonnen an Verpackungsmüll wurden in Deutschland 2021 produziert – 4,9 % mehr als im Vorjahr. Und es werden jedes Jahr mehr. Besonders Deutschland produziert im Ländervergleich überdurchschnittlich viel Müll. Knapp die Hälfte entsteht durch den Konsum von Privathaushalten. Klar, könnte man sagen: Was wir kaufen, dafür haben wir auch die Verantwortung. Aber nicht alle haben das Budget, die Zeit oder den Zugang, um im Bio- oder Unverpackt-Laden einzukaufen, wo eventuell weniger oder besser verpackt ist. Solange das Angebot überwiegend aus Wegwerfmaterialen – und dazu noch in Mischform – besteht, gibt es für Privatpersonen wenig Chancen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Ja, wir können auf Verpackungen achten und verzichten, wo es geht. Und wir sollten unseren Müll trennen, denn nur getrennt gesammelte Wertstoffe können wirklich recycelt werden. Wenn Plastikmüll nicht in der gelben Tonne landet, sondern im Restmüll, dann wird er in der Regel nicht recycelt, sondern verbrannt.

Klima Campus –  Politische Maßnahmen gegen Plastik.
Politische Maßnahmen gegen Plastik. Grafik: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0

Verbraucher*innen allein können das Problem nicht lösen

Es gilt auch hier: Du kannst deinen kleinen Beitrag leisten, aber die große Veränderung liegt bei der Politik. Das Problem liegt auch nicht am deutschen Recylingsystem an sich – die Infrastrukturen und Techniken sind da. Das Problem liegt an der Produktion von Mischverpackungen und der schieren Menge an Plastik. Der Verbot von Einmalplastik war ein wichtiger Schritt und auch das 2019 verordnete Verpackungsgesetz hat bereits Wirkung gezeigt und für einen Anstieg der Recyclingquote gesorgt. Seit 2022 sollen 63 Prozent aller Plastikverpackungen recycled werden. Aber soweit sind wir noch nicht und es braucht mehr!

Die Produktion von Plastik muss national wie international reduziert werden. Hersteller müssen durch Gesetze und Regelungen dazu gebracht werden, ihre Produktion so umzustellen, dass Recyclebarkeit von Anfang an mitgedacht wird. Es sollte verboten sein, Mischverpackungen und nicht-recyclebare Gegenstände überhaupt herstellen zu können – auf Freiwilligkeit zu setzen, bringt nichts. Eine Lösung könnte eine nationale Plastiksteuer sein, die von der Verpackungsindustrie gezahlt werden muss. Das könnte die Hersteller dazu bringen, Alternativen zu Plastik finden zu müssen. Spanien und Italien haben diese bereits eingeführt. In Deutschland ist sie bislang noch in Planung. Zudem sollten Müllexporte der Vergangenheit angehören und der Müll dort entsorgt werden, wo er entsteht – anstatt ihn um die Welt zu verschiffen.

Recycling ist ein wertvolles Werkzeug im Kampf gegen die Umweltverschmutzung, doch allein reicht es nicht. Müllbekämpfung sollte vom Anfang her gedacht werden – nicht vom Ende. Die Industrie muss nachhaltiger und recyclebar produzieren, Verpackungen optimieren und auf Mischplastik verzichten. Denn Recycling kann nur dann unser Klima und unsere Ressourcen schützen, wenn der nicht nur Müll getrennt, sondern auch wirklich wiederverwertet wird. 

Möchtest du das Thema voranbringen? Dann mache dich dafür stark und unterschreibe hier eine Petition von Greenpeace für mehr Mehrweg. Oder unterstütze Umweltschutzorganisationen, die sich dem Kampf gegen die Plastikflut widmen, wie Ozean Now oder Ozeankind.

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