Klima Campus Blog: Wie die Fischerei unsere Meere bedroht

Überfischung: Wie die Fischerei unsere Meere bedroht

Die moderne Fischerei bringt viele Probleme mit sich: von zu viel Fisch- und Beifang zu umweltzerstörenden Fangmethoden und schädlichen Aquakulturen. Ob unsere Meere noch zu retten sind und was wir alle gegen die Überfischung der Meere tun können, liest du hier.

Fische sind ein wichtiger Teil unseres Ökosystems und Teil der natürlichen Nahrungskette. Fische sind auch sehr beliebt auf dem Teller von uns Menschen – und das wird ihnen und irgendwann auch uns zum Verhängnis. 2020 erreichte der weltweite Fischkonsum einen Rekordwert: Rund 20 Kilogramm Fisch aß damals jeder Mensch durchschnittlich. Tendenz steigend. In Deutschland ist der Fischkonsum in den letzten Jahren aufgrund erhöhter Preise etwas zurückgegangen. Doch das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir ein gewaltiges Problem haben – und das ist menschengemacht: Überfischung.

Unter Überfischung versteht man massenhafte Fischerei, die dazu führt, dass mehr Fische gefischt (und damit getötet) werden, als Jungtiere neu auf die Welt kommen. Auch werden die Fische oft gefangen, bevor sie in die Geschlechtsreife gekommen sind. Das führt dazu, dass sich die restlichen Fische nicht fortpflanzen können, wodurch Fischpopulationen immer kleiner werden – bis sie ganz verschwinden. 

Doch das ist nur eine Nebenwirkung von Überfischung. Die Folgen sind zahlreicher und bedrohen auch unser Weltklima.

Die Folgen der Überfischung

Fischpopulationen schrumpfen

Überfischung bedroht zunächst einmal vor allem die Fischpopulationen unserer Welt. Weltweit werden mehr Fische gefangen als nachgeboren werden können. Laut der UN-Welternährungsorganisation (FAO) sind heute bereits 34 Prozent der weltweiten Fischbestände überfischt. Weitere 60 Prozent oder vielleicht sogar mehr sind so weit ausgebeutet worden, dass auch sie kurz vor einer Überfischung stehen. 

Dadurch wird auch die natürliche Nahrungskette erheblich gestört. Denn die Fische, die auf unserem Teller landen, fehlen größeren Raubfischen im Meer, die sich von ihnen ernähren würden. 90 Prozent aller großen Raubfische sind so mittlerweile auch aus den Meeren verschwunden. Hinzukommen bis zu 30 Millionen Tonnen an unerwünschtem Beifang jährlich, wie Vögel, Haie, Delfine oder Schildkröten, die auch in die Netze gehen. Rund 300.000 Tiere werden so jährlich tot oder verletzt wieder über Bord gekippt. Auch sie fehlen als wichtiges Mitglied der natürlichen Nahrungskette.

Weniger Fische = mehr Quallen

Überfischung führt auch dazu, dass unsere Meere immer mehr verquallen. Denn je weniger Raubfische, desto mehr Plankton im Meer. Und davon ernähren sich auch Quallen. Je mehr Quallen, desto weiter werden Fische verdrängt. Nicht nur weil Quallen das ganze Plankton wegfressen, was den Fischen dann fehlt, sondern auch weil sie sich von Fischeiern, Larven und Jungfischen ernähren. Ein Teufelskreis, der bereits einen Namen trägt: Jellyfication.

Wissenschaftler*innen gehen sogar davon aus, dass Quallen irgendwann die vorherrschende Tierart in unseren Weltmeeren sein könnten, da sie andere Fressfeinde verdrängen und resilienter gegenüber der Meeresversauerung sind als andere Meereslebewesen.

Kleinere Fische

Überfischung führt übrigens sogar dazu, dass Fische immer kleiner werden. Denn kleine Fische entwischen am besten durch die Maschen der Netze. Das führt dazu, dass sich mehr kleine Fische einer Art vermehren als große und sorgt über längere Zeit dafür, dass Fische kleiner bleiben. Ein Beispiel dafür ist der Dorsch in unserer Ostsee: 1990 hatte der Dorsch beim Erreichen der Geschlechtsreife noch eine Körpergröße von 38 Zentimeter. 2018 waren es nur noch 20 Zentimeter. 

Und auch wenn kleinere Fische durch ihre Größe der Fischerei entkommen mögen, so schwächt das langfristig unser Meer. Denn kleinere Weibchen produzieren oft weniger und schwächeren Nachwuchs als große Weibchen.


Netze zerstören den Meeresboden

Eine Folge von industrieller Fischerei ist auch die Zerstörung des Meeresbodens. Es gibt unterschiedliche Netze, am zerstörerischsten sind dabei die tonnenschweren Bodenschleppnetze. Diese werden über den Meeresboden gezogen, um am Grund lebende Fische und Garnelen einzufangen. Dabei wird allerdings der Meeresboden zerwühlt und ganze Ökosysteme wie Korallenriffe oder Seegraswiesen zerstört. 

Das hat auch schwere Folgen für unser Klima, denn der Meeresboden ist ein natürlicher CO2-Speicher. Wird dieser aufgewühlt, so wird das gespeicherte CO2 freigesetzt. Jedes Jahr sollen durch Schleppnetze am Boden schätzungsweise 1,5 Gigatonnen CO2 aus dem Meeresboden ins Wasser gelangen. Das beeinflusst den globalen Kohlenstoffkreislauf negativ und sorgt dafür, dass unsere Meere versauern und sich erwärmen. Und das belastet nicht nur die Lebewesen in unseren Ozeanen, sondern sorgt auch dafür, dass sich unsere Atmosphäre weiter erwärmt. Ein Teufelskreis.

Fischernetze sind auch nach deren Einsatz ein Problem: Denn immer wieder gehen welche von Bord – durch hohen Wellengang oder auch absichtlich. Bis zu 50 Prozent des gesamten Plastikmülls im Meer sollen diese Geisternetze ausmachen. Sie werden für Meereslebewesen zur Todesfalle.

Überfischung sorgt für lokale Engpässe

Überfischung hat auch soziale Folgen. Vor der industriellen Fischerei fuhren lokale Fischer aufs Meer und holten ihre Erträge direkt vor der Tür ein. Heute sind die Meere aufgrund der industriellen Fischerei so leer gefischt, dass lokale Fischer immer weiter rausfahren müssen, um überhaupt etwas zu fischen. Vor allem kleine Betriebe sind dadurch in ihrer Existenz bedroht. 

Das betrifft vor allem Menschen aus dem globalen Süden und führt zu einer Verarmung der Küstenbevölkerung, die früher hauptsächlich vom Fischfang lebte. Hinzukommt, dass europäische Schiffe auch beispielsweise entlang westafrikanischen Küstengebiete fischen, sodass der Fang unfair verteilt nach Europa kommt und so den Menschen vor Ort verwehrt bleibt und als wichtige Nahrungsquelle fehlt. Über 80 Prozent des Fisches, der in der EU gegessen wird, stammt aus dem Ausland. Überfischung ist besonders im Mittelmeer, in Westafrika und in Südasien ein Problem.

Sind Aquakulturen die Lösung?

Eine Zeit lang schienen Aquakulturen die nachhaltigere Alternative zum industriellen Fischfang zu sein. Rund die Hälfte des weltweit konsumierten Fisches kommt mittlerweile aus Aquakulturen. Das sind Zuchtfarmen, in denen die Fische in Netzkäfigen im Meer aufgezogen werden. 

Doch auch diese Fische müssen gefüttert werden – und das meist mit anderen Fischen, die anderswo gefangen werden. Für ein Kilo gezüchteten Lachs müssen mehrere Kilo gefangener Fisch gefüttert werden. Und so tragen auch Aquakulturen zur Überfischung bei. Es gibt mittlerweile erste Ansätze, ohne Fischfang an das notwendige Protein für die Fische in Aquakulturen zu kommen, doch ein weiteres Problem ist damit nicht gelöst: Aquakulturen sind eine Form der Massentierhaltung und damit sehr anfällig für Parasiten. Immer wieder müssen Millionen Fische aus Aquakulturen getötet werden, weil sie von Parasiten befallen und nicht mehr zu retten sind. Auch werden Chemikalien und Antibiotika eingesetzt, um Parasiten und Bakterien entgegenzuwirken, was das Wasser zusätzlich belastet.

Auch passiert es immer wieder, dass Zuchtfische aus den Käfigen ausbüxen, wie zuletzt in Island, wo 3.500 Lachse aus einer Aquakultur flüchten konnten. Das Problem daran: Die ausgewachsenen und geschlechtsreifen Fische paaren sich mit den Wildlachsen, wodurch Mischlinge entstehen, die schlechter an die Umgebung angepasst sind und sich weniger gut fortpflanzen können. Das bedroht die wilden Bestände und könnte sogar dazu führen, dass sie aussterben.

Die Politik muss handeln

Wie so oft bei Klimaschutz-Themen gilt auch hier: Die Politik muss handeln. Zwar gibt es vielerorts bereits offizielle Regularien für Fangzahlen und -methoden sowie für Fanggebiete, jedoch kritisieren Umweltschützer*innen, dass diese nicht immer auf wissenschaftliche Empfehlungen basieren. Hinzu kommt, dass die Fischereiindustrie bestehende Gesetze nicht immer befolgt und die Einhaltung nicht ausreichend kontrolliert wird.

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace fordern daher ein umfassendes Meeresschutzabkommen. Dieses sieht vor, mehr Meer unter Naturschutz zu stellen. Derzeit stehen lediglich drei Prozent der Meeresgebiete unter Schutz. Dieser Anteil soll auf mindestens 30 Prozent bis zu 50 Prozent erhöht werden, damit sich unsere Meere erholen können. Auch sollten mehr Gebiete für Fischfang grundsätzlich gesperrt sein und zu sogenannten No-Take-Zonen ernannt werden.

Es braucht zudem eine grundlegende Umstrukturierung der industriellen Fischerei mit alternativen, umweltverträglichen Fangmethoden, Fangverboten und niedrigeren Fangquoten. Denn diese bringen etwas: Durch Fangverbote konnte sich beispielsweise die Population des Blauflossenthunfisches in der Nordsee erholen.

Auch lokale Fischer*innen müssen unterstützt werden, da sie durch strengere Fangquoten wirtschaftliche Einbußen erfahren oder ihren Beruf nicht mehr ausführen können. In Mecklenburg-Vorpommern begann im Oktober 2023 ein Pilotprojekt, in dem Fischer*innen zu „Förstern des Meeres“ umschulen können. Sie sollen sich zukünftig darum kümmern, dass der Lebensraum Ostsee gepflegt und geschützt wird. Dazu gehört unter anderem das Anpflanzen von Seegraswiesen sowie Mithilfe für die Meeresforschung.

Das kannst du tun

Wenn du auf Fisch nicht verzichten möchtest, schaue, dass du regionalen Fisch konsumierst. Pflanzenfresser wie Karpfen sind dabei umweltfreundlicher als Raubfische wie Forelle oder Saibling. Schaue auch, ob du regionalen Bio-Fisch aus nachhaltiger Fischerei kaufen kannst.

Als Konsument*in ist es schwer, den Ursprung von Fisch zurückzuverfolgen. Es gibt kein staatliches Siegel, das nachhaltigen Fischfang markiert, aber ein paar von gemeinnützigen Organisationen, wie MSC, ASC, Fair Fish. Doch alle Siegel haben ihre Mängel und werden von Umweltschutzorganisationen als nicht ausreichend erachtet. Sie können lediglich als Orientierung dienen. Im Fischratgeber vom WWF findest du Kaufempfehlungen für einzelne Fischarten. Diese basieren auf einem Kriterienkatalog wie dem Zustand der Fischbestände und wie nachhaltig der Fang oder die Aufzucht gestaltet ist.

Am nachhaltigsten und tierfreundlichsten wie so oft: Verzicht oder bewusster Konsum. Verzichte ganz auf Fisch oder behandle ihn als eine Delikatesse, die zu besonderen Anlässen genossen wird. Probiere pflanzliche Alternativen wie Algen oder Ersatzprodukte wie Lachs aus Karotten. Denn wir Konsument*innen können durch bewusste Entscheidungen zur Reduzierung der Überfischung und zum Schutz des Klimas beitragen.

Es gibt zahlreiche NGOs, die sich gegen Überfischung und für Meeresschutz einsetzen. Dazu gehören unter andere, der WWF, Sea Shepherd oder OceanCare. Unterstütze sie, wenn du möchtest durch eine Spende oder durch Teilen und Liken auf Social Media.

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